Kybernetik - was ist das?Kybernetik

Eine verständliche Einführung

Von Badewannenboilern und der Treppenhausbeleuchtung

Vielleicht müssen wir hier eine Einschaltung machen. Wir müssen Sie wohl bitten, bei unseren Betrachtungen in das Wort "Intelligenz" nicht sämtliche Möglichkeiten hineinzupacken, die ein intelligenter Mensch selbst darin sieht. Wir müssen uns zunächst damit zufriedengeben, wenn unsere Untersuchungsobjekte auf einem kleinen Teilgebiet, Vielleicht nur in einer einzigen Reaktion, intelligentes Verhalten zeigen. Wir wollen nicht gleich verlangen, dass sie die Buddenbrooks schreiben oder ein Kursbuch lesen können. Einverstanden?
Gut. Bei dieser etwas bescheideneren Betrachtungsweise können wir auch zahlreichen anderen von Menschenhand konstruierten Geräten Intelligenz zusprechen - und wenn es nur ein bißchen ist.
Der Badewannenboiler, den wir vorhin erwähnten? Oh ja, er ist schon intelligent. Denn er heizt das Wasser in seinem Bauch nur bis zu einem bestimmten Temperaturgrad auf; dann schaltet er den Strom aus. Mittels eines Rückkopplungsmechanismus prüft er die Temperatur des Wassers und trifft danach seine Entscheidung: Ausschalten! Oder, wenn es zu stark abkühlt: Wieder einschalten!
Ähnlich ist es bei der Treppenhausbeleuchtung, die nach drei Minuten automatisch das angeknipste Licht wieder löscht. Viel komplizierter ist es beim Radioapparat, der sich selbst - wiederum mit Hilfe von rückgekoppelten Regelkreisen - so einstellt, dass der gewünschte Sender am schönsten empfangen wird. Und der über den sogenannten "Schwundausgleich" auch noch dafür sorgt, dass die Schwankungen, mit denen die Radiowellen eintreffen, ausgeglichen werden, so dass der Ton aus dem Lautsprecher seine Stärke unverändert beibehält. Vom Elektronenrechner wollen wir später noch reden. Aber wie ist es beim Küchenwecker, von dem wir ganz zu Anfang sprachen? Ist etwa auch er intelligent?
Aber gewiß. Er läutet zu einer ganz bestimmten Zeit. Ist das vielleicht nicht klug von ihm?
Wir könnten es verstehen, wenn nun der eine oder andere Leser sagte: Liebe Leute - das ist doch keine Intelligenz mehr! Das ist doch die bloße Mechanik, eine Stahlfeder, fünf Zahnräder und ein Glöckchen! Redet uns doch nichts ein!
Nun, wir fühlen uns stark genug, diesen oder auch einen anderen Leser mit Hilfe der mathematischen Logik zu bekehren. Malen Sie sich bitte aus, wie die Hausfrau den Braten in den Ofen schiebt. Genau zwei Stunden soll er drinbleiben, bis er fertig ist. Inzwischen hat sie viele andere Dinge zu tun: aufräumen, abstauben, das Baby trockenlegen, einen Brief schreiben, den Werbefunk hören...
Und nebenbei muss sie immer wieder auf die Uhr sehen: Sind die zwei Stunden schon um? Verbrennt mir nicht das Mittagessen?
Es besteht wohl kein Zweifel, dass das Feststellen der Zeit in gewissen Abständen und die Prüfung, ob die zwei Stunden schon um sind, ein gewisses Maß an Intelligenz erfordert. Nicht viel, gewiß, aber ganz ohne geht es nicht. Wenn sich nun die Hausfrau die Sache leichter macht und einen Küchenwecker so einstellt, dass er in zwei Stunden läutet, um sie an das Ausschalten des Backofens zu erinnern (oder sogar den Backofen selbst ausschaltet), dann hat er ihr doch ein Stück Intelligenzarbeit abgenommen. Wenn das aber so ist, so ist dieses Stückchen Intelligenz - nach allen Gesetzen der Logik - auf ihn übergegangen. Die Schlußfolgerung: Wenn man ihn richtig bedient, ist auch der Küchenwecker intelligent. Genauso wie jedes Gerät, jede Maschine, die dem Menschen Intelligenzarbeit abnehmen kann: eine Registrierkasse, eine automatische Schaltung im Auto, das elektrische Signalsystem moderner Eisenbahnen...
Vielen Menschen ist diese Folgerung unheimlich; darum wollen sie sie nicht gelten lassen. Um ihnen die Erkenntnis etwas leichter zu machen, haben sich die Wissenschaftler einen Trick ausgedacht: sie unterscheiden zwischen "menschlicher Intelligenz" und "maschineller Intelligenz". Sie deuten den Küchenwecker nicht als intelligentes Wesen, sondern als kybernetisches Modell eines bestimmten, nicht allzu großartigen, scharf umgrenzten intelligenten Reaktionsverfahrens. Sie sagen: Diese Maschinen sind alle nicht wirklich intelligent. Sie simulieren Intelligenz! Und damit sind dann auch diejenigen zufrieden, die eben noch protestierten.
Intelligent, nicht wahr?

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