Von Bauarbeitern und Raketen
Wenn's Ihnen recht ist, fahren wir heute einmal zu einer Baufirma - besser gesagt, zu deren Sandgrube. Da unten liegen die riesigen, vom Bagger ans Tageslicht gebrachten Sandhügel. Zwei Arbeiter, Paul und Antonio, schaufeln Sand auf ein Förderband, den dieses nach oben transportiert und in Lastwagen fallen läßt.
Bei den Lastwagen steht Emil, der Polier, und dirigiert die Schaufler durch Armbewegungen und die Kraft seiner Stimme. Der erste Lastwagen ist voll.
"Halt!" brüllt Emil, "Schaufeln einstellen!"
Gehorsam und erleichtert werfen Paul und Antonio ihre Schaufeln weg und machen Pause. Das Förderband aber versteht offenbar noch weniger Deutsch als Antonio. Es hat noch einige Kubikmeter Sand auf dem Buckel, die es nun pflichteifrig zum Auto hinauftransportiert und darüber ausschüttet. Der Sand rutscht links und rechts hinunter, bildet rings um den Lastwagen ein kleines Gebirge, und der Lastwagenfahrer lacht herzlos über Emil, der betreten die Bescherung betrachtet. Er lacht, bis er anfahren will und nur mit großer Mühe durch den aufgehäuften Sand kommt. Da flucht er laut und geübt alles Übel auf Emils Haupt herab, und seine Worte sind nicht druckreif.
Emil macht sich selbst daran, den überflüssigen Sand zur Seite zu schaffen. Hinter ihm hupt schon ungeduldig der nächste Lastwagenfahrer: er fährt Akkord und will keine Zeit verlieren. Es dauert eine Weile, bis er sein Gefährt unter das Fließband rangieren kann. Jetzt brüllt Emil: "Weiterschaufeln!"
Aber nun dauert es Minuten, ehe die erste Schaufel voll oben angekommen ist, und inzwischen flucht auch der zweite Lastwagenfahrer über den Aufenthalt.
Statt zu fluchen, könnte er darüber nachdenken, dass hier ein kybernetischer Fall vorliegt: ein Regelkreis nämlich, der nicht so richtig funktioniert. Sie haben richtig gehört: es ist die Rede vom "Regeln".
Erinnern Sie sich? Im letzten Kapitel sprachen wir von "Steuern" und "Auslösen". Unter den Kybernetikern hat man sich dahingehend geeinigt, dass dieses Steuern und Auslösen immer nur in einer Richtung erfolgt: Der Mann steuert das Auto. Oder die Mutter schaltet das Licht aus. Oder der Direktor schreit seinen Buchhalter an, er solle endlich die Bilanz fertig machen. Der Steuerungsvorgang kann sich über mehrere Stufen erstrecken: Der Buchhalter gibt den wütenden Befehl an seinen Unterbuchhalter weiter und dieser treibt den Kontoristen an. Aber immer läuft der Befehls- oder Informationsfluß nur in einer Richtung:
Er kann sich auch verzweigen, dieser Informationsfluß, ein Delta bilden und sich weit durchs Land ergießen, ehe die Ströme wieder zusammenfließen: Der Direktor beschimpft den Buchhalter sowie den Verkaufsleiter, weil beide an der Schlamperei schuld sind; die wiederum machen ihren Untergebenen die Hölle heiß; jene aber begeben sich gemeinsam zum Leiter der Lochkartenstelle, der angeblich mit der Aufarbeitung der Betriebsdaten nicht nachkommt, und stellen ihm eine Verwarnung in Aussicht: