Beide Regelkreise sind, genau betrachtet, völlig identisch. Der praktische Unterschied ist, dass sich der menschliche Regelkreis weit störanfälliger und unzuverlässiger zeigt als der maschinelle. Hier also, im 18. Jahrhundert, wurde schon eines der Kernstücke kybernetischer Betrachtung, der Rückkopplungsmechanismus, erfunden. Aber man war damals noch weit davon entfernt, seine grundsätzliche Bedeutung zu erkennen. Das war auch gar nicht möglich, denn die Technik war längst nicht weit genug. Weder konnte sie eine Vielzahl ähnlicher Regelmechanismen bauen, noch hätte sie dafür überhaupt Verwendung gehabt.
Von der Dampfmaschine und der Zentrifugalkraft
So verworren wie ihre Begriffsbestimmungen ist auch die Geschichte der Kybernetik. Die hieb- und stichfeste Historie dieser Wissenschaft ist noch nicht geschrieben. Das hängt zum Teil damit zusammen, dass man die Uranfänge kybernetischen Bemühens nicht wie bei der Chemie oder der Physik einfach in die Abgründe des finsteren Mittelalters verlegen kann und damit basta.
Kybernetik ist eine so junge Wissenschaft, dass manche Leute meinen, es müsse sich doch unbedingt noch ihr "Erfinder" feststellen lassen - etwa so, als sei eine Wissenschaft eine neue Nähmaschine oder ein automatischer Schnürsenkelbinder. Man hat dem Amerikaner Norbert Wiener, dem Deutschen Hermann Schmidt, dem Franzosen Andre Ampère und dem Engländer James Watt abwechselnd die "Entdeckung der Kybernetik" in die Schuhe geschoben. Das ist ziemlich sicher alles Unfug.
Es hilft wohl nichts: Wir müssen Ihnen kurz erzählen, wie von überallher, aus allen Richtungen und in ganz verschiedenen Jahrhunderten, Erkenntnisse zusammenkamen, die sich schließlich zu dem verdichteten, was wir heute "Kybernetik" nennen. Die Wurzel des Wortes liegt - wie könnte es anders sein! - im alten Griechenland. "kybernétes" bedeutete Steuermann, Lotse - jener also, der das Schiff durch Steuerbewegungen auf einem ihm vorgeschriebenen Kurs hält.
Im 18. Jahrhundert erfand James Watt, dem die alten Griechen vermutlich ziemlich gleichgültig waren, die erste brauchbare Dampfmaschine. Mit ihr tauchte ein Problem auf. Es war nicht ganz einfach, die Drehzahl dieser Maschine konstant zu halten. Zuerst stellte man einen Mann dorthin, wo der Dampfdruck im Zylinder in eine Kolbenbewegung umgesetzt wird. Dieser Mann beobachtete das Rad, das vom Kolben in Bewegung gehalten wird. Schien ihm, dass es sich zu schnell drehte, so schraubte er das Dampfventil ein wenig zu. Ging es ihm zu langsam, so öffnete er den Schieber wieder.
Diese höchst einfache und auch nicht immer ganz zuverlässige Einrichtung (denn dem Mann wurde es mit der Zeit langweilig, und dann ließ seine Aufmerksamkeit nach) war - das wissen Sie inzwischen - ein Regelkreis mit Rückkopplung, Der Mann hatte eine Vorstellung davon, wie schnell das Rad sich drehen sollte, und stellte die Differenz zwischen der tatsächlichen Geschwindigkeit und dem Idealtempo fest. Danach bemaß er die Öffnung des Dampfventils:
Über Regelkreis und Rückkopplung machte Watt sich keine großen Gedanken; er war ein Praktiker, kein Wissenschaftler. Aber er war nebenbei auch ein eminent kluger Kopf, und als er sah, dass der Mann am Regulierventil wohl doch nicht so Hervorragendes leistete, ersetzte er ihn durch eine Maschine, die weit besser funktionierte. Im Jahr 1769 erfand er den ersten automatischen Regler der Weltgeschichte.
Und zwar montierte er zwei Metallgewichte mit Hebeln an eine senkrecht rotierende Stange. Diese Stange verband er mit dem Schwungrad der Dampfmaschine. Drehte sich das Schwungrad, so rotierten auch die Gewichte. Durch die Zentrifugalkraft wurden sie nach außen gedrückt und betätigten über die Hebel eine sinnreiche Mechanik, die das Drosselventil der Dampfzufuhr steuerte. Drehte sich das Schwungrad zu schnell, so wurde über die rotierenden Gewichte automatisch die Dampfzufuhr gedrosselt. Lief das Rad zu langsam, so wurde durch die Hebelmechanik die Dampfzufuhr geöffnet: