Von Autodieben und Astronomen
Ein großes, aber auch noch relativ einfaches und außerdem tatsächlich vorhandenes System hilft in Kalifornien beim Verbrecherfang. Dort, in der Hauptstadt des Kreises Alameda (3,5 Millionen Einwohner), steht eine elektronische Rechenanlage. Sie trägt sämtliche Ganoven und Gauner der Umgebung in ihrem Busen; kurzfristig nimmt sie sich auch alle verdächtigen Personen, gesuchten Wertgegenstände und gestohlenen Autos zu Herzen.
Vordem war es in Alameda die Regel, dass von der Meldung eines gestohlenen Wagens über die Weiterleitung durch die Reviere an die Zentrale bis zum Drucken einer Liste und ihrer Verteilung an die Streifenbeamten 36 Stunden vergingen. Ebensogut hätte man sich diese Arbeit sparen können, denn zumeist stellten die Autodiebe gestohlene Wagen nach durchschnittlich acht Stunden wieder irgendwo ab - oder sie waren damit über die Staatsgrenze ausgerückt.
Die meisten Autos fand man also wieder - nicht aber die Diebe. Und das hatte sich herumgesprochen, weshalb das "Ausleihen" von Autos in Alameda zum beliebten und relativ risikolosen Volkssport geworden war.
Die Polizei wußte, dass Autodiebe sich in aller Regel wenig um Verkehrsregeln kümmern, dadurch also meist auffallen. Das machte den Dieben indessen wenig Kummer - die nahmen ihren Strafbefehl entgegen und brausten weiter. Denn sie wußten ja; Der Polizist kann die Fahndungsliste noch gar nicht haben.
Bis die Gangsterschreck-Computer installiert wurden. Jetzt sagt der Polizist, wenn er einen Verkehrssünder ertappt, über Sprechfunk die Autonummer durch. Der Elektronenrechner antwortet umgehend, ob der Wagen als gestohlen gemeldet ist.
Außerdem wird vom Schutzmann aber auch noch der Name des Fahrers nebst den Personalien durchtelefoniert, und auf diese Weise hat man in den vergangenen Jahren in Alameda schon mehr gesuchte Gauner geschnappt als in allen Jahren zuvor: Taschendiebe und Bankräuber, Rauschgift- und Mädchenhändler. Bei der relativ hohen Kriminalität in Kalifornien konnten die Banditen bis dahin ziemlich sicher sein, dass kein Streifenpolizist die neuesten Fahndungslisten sämtlicher Kriminaldezernate mit sich herumschleppte. Und wenn, so hätte er doch nie die Zeit gefunden, sie bei jedem, dessen Führerschein er kontrollierte, genau durchzusehen. Nun besorgt das der Computer für alle Mann von Alamedas Polizei, und er ist auf diese Weise zum Schrecken der Unterwelt von ganz Kalifornien geworden.
Das ist Ihnen alles noch zu hausbacken und nicht kybernetisch genug? Nun schön.
Wir sprachen vorhin von den Abläufen schneller chemischer Prozesse, die ein Elektronenrechner in allen Einzelheiten zu erfassen vermag. Solch ein Prozeß kann unter Umständen eine sehr verwickelte Angelegenheit, ein "großes System" sein. Dem Elektronenrechner ist es möglich, dieses Knäuel von Aktionen und Reaktionen als Modell zu speichern - und zwar so, dass der Wissenschaftler damit spielen kann, ohne auch nur den Bunsenbrenner anzuzünden. Er verändert am Computer hier die Temperatur, dort ein Mischungsverhältnis - und der Elektronenrechner (oder vielmehr: sein Modell des chemischen Prozesses) sagt ihm mit einiger Wahrscheinlichkeit, was dabei herauskommen wird.
Wenn's gewünscht wird, kann der Computer den Vorgang auch in die Länge und Breite ziehen, ihn in Zeitlupe ablaufen lassen - so langsam, dass der Gelehrte Muße hat, während des Prozeßablaufs am Modell des Versuchs Änderungen vorzunehmen. (In der Wirklichkeit des schnellaufenden Experiments hätte er diese Möglichkeit nie.)
Ein Astronom kann auf seinem Computer das Firmament nachbilden - ein Modell des Sternhimmels. Das besteht nicht wie im Himmelsatlas (der ja auch nur ein Modell ist) aus gelben Pünktchen auf tiefblauem Grund, sondern nur aus Zahlen, Chiffren und Koordinaten. Aber für den wissenschaftlich geschulten Sterngucker kommt das fast auf dasselbe heraus.
Mit diesem Kosmos läßt sich ebenfalls herumspielen. Man kann darstellen, welche Konstellation der Gestirne uns am 13. Februar 2005 um 22.56 Uhr erwarten wird; im Zeitraffersystem kann man deutlich machen, was innerhalb von zwanzig Jahren geschehen wird, wenn ein großer Komet in die Gruppe der Jupitermonde eindringt.
Der Computer kümmert sich bei seinen Modellen um altgewohnte Vorstellungen wie Zeit und Raum durchaus nicht mehr; er geht sehr großzügig mit beidem um. Er verbindet beliebige Punkte der Erde - und darüber hinaus - miteinander, er dehnt Abläufe aus oder läßt sie schrumpfen - je nachdem. Er hat den Menschen die vierte Dimension geschenkt, die Dimension der Unwirklichkeit.
Und wir betrachten sie längst als Realität.
Sie zweifeln? Sie meinen, das sei eine der Zeit der science fiction angepaßte Schwafelei? Bitteschön, wir zeigen's Ihnen gerne in der Praxis. Zum Beispiel an einer Verkehrssteuerungsanlage.