Lernvorgänge
Es liegt auf der Hand, dass sich bereits die ersten Kybernetiker darüber Gedanken machten, ob es nicht möglich wäre, technische Modelle zu konstruieren, die imstande wären zu lernen. Schließlich ist die Fähigkeit zu lernen eine fundamentale Eigenschaft belebter Systeme, und wenn sie sich auch nur darin äußert, dass sich solche Systeme einer sich ständig ändernden Umgebung anpassen können.
Dazu gehören Modelle für das Verhalten von Neuronen ebenso wie Geräte, die einen bedingten Reflex ausbilden können. Es gelang zum Beispiel, ein Labyrinthmodell zu konstruieren, das so beschaffen war, dass das zugeordnete "kybernetische Tierchen" durch Probieren seinen Weg durch das Labyrinth fand und sich diesen anschließend merkte. Solange das Labyrinth in seinem Aufbau nicht verändert wurde, fand das Tier von nun an den Weg schnurstracks, weil es ihn in seinem Speicher aufgezeichnet hatte.
Wenn auch alle diese Versuche ohne praktischen Nutzen geblieben sind, so ist dies kein Argument gegen die Bemühungen, Licht ins Dunkel der Lernvorgänge zu bringen. Es ist nur ein Hinweis darauf, dass die Lösung solcher Probleme nicht zu den Früchten kybernetischer Erkenntnis gehört, die man wie Beeren am Wege pflücken kann. Es scheint, als ob die Einsichten, die uns die Kybernetik bis jetzt beschert hat, nicht ausreichen, um diesen Problemen eine Formulierung zu geben, die zugleich den Weg zu einem wissenschaftlichen Konzept weist. Die bis jetzt gefundenen Ergebnisse (siehe dazu auch: "Lernende Automaten - Bericht über die Fachtagung der NTG", München 1961, und K. Steinbuch, "Lernende Automaten", Zeitschrift "Elektronische Rechenanlagen" 1, 1959) sind dennoch interessant und stellen einen Einblick in laufende kybernetische Forschungsprobleme dar.
Im Zusammenhang mit lernenden Automaten taucht immer wieder der Wunsch nach Elektronenrechnern auf, die sich, etwa in einem Lernprozeß, selbst programmieren. Elektronenrechner sind so beschaffen, dass man in ihrem Speicher ein Programm deponieren kann, dem sie folgen, das also ihr Verhalten festlegt. Der Wunsch, dass es Programme geben möge, die so beschaffen sind, dass sie im Zuge eines Lernprozesses den Computer selbst programmieren, ist so alt wie die Computer selbst. Der Nachweis, dass dahinter eine echte wissenschaftliche Fragestellung steckt, ist aber bis heute nicht erbracht. Die Einsicht, dass die Lösung solcher Programme nützlich und damit auch wünschenswert wäre, ist sicherlich noch keine Garantie, dass damit eine wissenschaftlich lösbare Problematik aufgezeigt wäre. Die Quadratur des Kreises ist exakt auch nicht möglich!
Ohne Zweifel führen die Probleme der Lernmaschine den Kybernetiker unserer Tage an den Rand seiner Wissenschaft. Wo immer man diese Grenze erreicht, kann keine Spekulation die in fast allen Fällen langwierige und detaillierte Forschungsarbeit ersetzen. Daran hat auch die Kybernetik als jüngste (und in manchem recht pubertäre) wissenschaftliche Disziplin nichts geändert.